Leipzig ist eine der am dynamischsten wachsenden Städte Deutschlands.
Damit einhergehend hat der Druck auf den Immobilienmarkt seit 2011 kontinuierlich zugenommen und dazu geführt, dass der Wohnungsmarkt inzwischen angespannt ist. In der Folge steigen die Mieten rasant. Die Anzahl von Modernisierungsankündigungen und Mieterhöhungen ist ebenso exponentiell gestiegen wie die Zwangsräumungen.
In atemberaubender Geschwindigkeit wird die Stadt umgestaltet. Zwar gelten Kaltmieten von 12 -14€ pro Quadratmeter im Vergleich mit anderen Großstädten noch als moderat. Dabei wird aber oft vergessen, dass das Einkommensniveau in Leipzig deutlich tiefer ist. In einer Situation, in der mehr als 30 % des Einkommens für die Miete aufgewendet werden müssen, steht die Stadtbevölkerung vor einem Problem, dass nur noch durch beherztes politisches Eingreifen zu bewältigen ist.
Mit den steigenden Mieten spitzen sich sozialräumliche Segregationsprozesse zu. Menschen mit geringen Einkommen werden verdrängt und am Ende der sozialen Einkommensklassen tobt der Verteilungskampf um die letzten bezahlbaren Wohnungen. Diese Abwertungsprozesse befeuern auch Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die Wut der sozial Abgehängten wird durch die Politik mehr und mehr auf diejenigen gelenkt, die ebenso schutzbedürftig sind.
Im Gegensatz dazu, oder möglicherweise schon als Folge davon, sind sogenannte „Gated communities“ auch in Leipzig keine Zukunftsmusik mehr. Diejenigen, die es sich leisten können, wohnen abgeschottet hinter Mauern, von eigenen Kameras und Wachschutz behütet.
Die Folgekosten dieser sozialräumlichen Entmischung spielen in der Debatte keine Rolle. Eine gerechte Gesellschaft, eine Stadt, die nicht nur Wohnort ist sondern ein soziales Gebilde, das den Austausch der Menschen untereinander fördert, kann so nicht mehr gelingen. Im Gegenteil: Die Gesellschaft bricht auseinander.
Neben den Verdrängungsprozessen für Bewohner und der Neuverteilung von Wohnfläche verliert die Stadt überdies ihre Freiräume. Mit der Wohnbebauung im Hochpreissegment steigen nicht nur die Mieten, auch das Bedürfnis nach „Wellness“ nimmt zu. Veranstaltungsorte, die früher für die ganze Stadtteilbevölkerung da waren und von dieser toleriert wurden, werden nun zu Störfaktoren herabgesetzt.
Die Steigerung der Rendite macht vor der Kultur keinen Halt und besonders Veranstaltungsstätten und Galerien ohne vermögende Lobby sind von Repression betroffen. Leipzig stand einst für Freiraum und die Möglichkeit, im Rahmen von kreativen Schaffensprozessen Dinge zu verändern. Dieser Ort der Möglichkeiten verwandelt sich in einen Ort des Unmöglichen!
Mit der zunehmenden Bebauung, die im Spannungsfeld zur gewünschten städtebaulichen Verdichtung steht, gehen aber auch Grünflächen verloren. Und anstatt bei der wachsenden Zahl von Menschen wenigstens auf umweltfreundliche Mobilität zu setzen, drängen Wirtschaft und Politik darauf, mehr Straßen für Autos zu bauen.
Wir sind nicht bereit, diese Prozesse schweigend zu akzeptieren. Wir fordern, dass die Stadt sich unverkennbar für sozialen Wohnungsbau einsetzt. Wir fordern ebenfalls von der Landespolitik ein sozialverträgliches Wohnraumzweckentfremdungsgesetz, um zu verhindern, dass Wohnraum durch Umnutzung zu Ferienwohnungen verloren geht.
Außerdem muss die Stadt von ihrem kommunalen Vorkaufsrecht Gebrauch machen, um Handlungsmöglichkeiten zu bewahren und Freiräume zu halten. Wenn die Stadt Grundstücke verkauft, darf es in erster Linie nicht um den Verkaufspreis gehen, sondern um soziale und ökologische Perspektiven.
Durch eine vorausschauende Bauleitplanung lassen sich aber nicht nur Konflikte vermeiden und Flächen halten. Wir fordern, dass die Stadt dafür Sorge trägt, dass ausreichend viele Wohnungen für sozial schwache Menschen zur Verfügung stehen und mit ihren Mitteln Investoren dazu verpflichtet für gesunde und bevölkerungsdiverse Wohnraumverteilung Sorge zu tragen. Damit würde sie nicht nur Handlungsfähigkeit beweisen sondern überdies ihrem Ruf als freiheitliche, kreative und fortschrittliche Stadt endlich wieder gerecht werden.
Mit dieser Demonstration wollen wir auf unsere Anliegen aufmerksam machen und gleichzeitig damit den offiziellen Start zum Forum Stadt für Alle vom 20.04.-22.04. in Leipzig geben.
J. Kasek