Caritas Kampagne 2018: „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“

Mit der Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ macht die Caritas 2018 auf die 1 Million fehlenden Wohnungen in Deutschland aufmerksam und setzt sich ein für bezahlbaren Wohnraum. In Leipzig, wie schon zuvor in vielen weiteren Städten, wurde am 5.10.2018 auf dem „Kleinen Leuschnerplatz“ ein Zimmer auf der Straße aufgebaut, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. In verschiedenen Redebeiträgen auch von Menschen, die selbst von Wohnungslosigkeit betroffen sind, wurde das Thema beleuchtet.

Leipzig für Alle: Aktionsbündnis Wohnen war mit zwei Beiträgen vertreten:

Stefan Lange:

Wohnen ist ein Menschenrecht – die Stadt gehört allen!

Die Einladung zu dieser Veranstaltung enthält einen Widerspruch.
Es wird von Menschenrecht gesprochen
und dieses im weiteren Einladungstext in
Zusammenhang mit einem Bezahlvorgang gebracht.
Dem muss man von Anfang an kategorisch widersprechen.

Unser Leben und unsere Lebensorte sind keine Ware.
Heimat, Sicherheit, Geborgenheit, Rückzugsorte sind nicht verhandelbar.
Den Zugriff auf diese Orte durch nicht dort Lebende,
muss man mit aller Macht unterbinden.
Und ich meine wirklich mit aller Macht.

Sagen wir doch einfach:
„Die Wohnung ist keine Handelsware.“
„Der Grund und Boden gehört allen! Und das bleibt so.“

Verbieten und unterbinden wir die Spekulation mit Wohnraum.
Führen wir hier den Begriff „sittenwidrig“ ein und bestrafen jeden Verstoß rigoros.

Das hat schon immer gegolten und ist nur in den letzten 30 Jahren des Turbokapitalismus,
die exakte Bezeichnung ist eigentlich Imperialismus,
geschliffen worden –
um Platz und Raum für den Extraprofit zu schaffen.
Für 300% Profit, so zitiert Marx einen Gewerkschafter,
ist das Kapital zu jedem Verbrechen bereit.

Und wer es mit Marx nicht so hat:
Weh denen, die ein Haus zum andern bringen und einen Acker an den andern rücken,
bis kein Raum mehr da ist und sie allein das Land besitzen!
Steht bei Jesaja Kapitel 5 Vers 8

Und wem auch die Bibel nicht Antwort gibt
der sei auf Rousseau verwiesen:
Ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.

Also holen wir uns unsere Städte zurück.
Den Grund und Boden,
die Häuser und Wohnungen
und unsere Stadtluft die frei macht und nicht verdreckt sein sollte.

Welch krude Idee steckt hinter dem Wort „Betongold“?
Kennen die,
die dieses preisen,
nicht den König Midas?

Die Ratgeber die landauf landab gebetsmühlenartig die Ware Wohnen preisen
und uns auf den besagten Holzweg schicken wollen
zu ihrem eigenem Vorteil,
die uns verkaufen wollen was wir gemacht haben,
für die gibt es keine Flüsse auf dieser Welt
die ihnen den Fluch abwaschen können.
Sie werden an ihrem Geld nicht glücklich.
Und wie wollen wir es tun?

Wie wollen wir uns unser Leben in unseren Städten und Dörfern,
in den Gemeinden und Häusern zurück holen?
Als erstes gilt es die Lethargie, die „da kann man eh nichts ändern“ Haltung abzulegen.

Jedes mal wenn wir jemand
von der Kanzel,
vom Rednerpult,
vom Podium herab
von sozial schwach sprechen hören,
fallen wir ihm ins Wort und sagen:
„Du meinst arm?“

Jedes mal wenn jemand
von oben herab
von bildungsfernen Schichten spricht,
fallen wir ihm ins Wort und sagen:
„Du weißt nicht was sie wissen.“

Jedes mal wenn jemand sagt,
das ist zu kompliziert das kann man nicht so einfach erklären,
dann sagen wir:
„Dann erklär es uns lang und breit, wir haben Zeit.“

Und gehen wir hin, zu denen die für uns sprechen wollen,
zu den Gewählten und den Nicht-Gewählten,
die hier in Leipzig in dem prachtvollem Haus da drüben arbeiten,
und fragen sie:

  • Warum verkauft ihr immer noch unsere Stadt?
  • Warum füttert ihr weiterhin die Gier der Christoph Gröner dieser Welt?
  • Warum glaubt ihr
  • in unserem Namen
  • gegen unseren Willen alles zur Ware machen zu müssen?

In Bezug auf das Wohnen fordere ich:

  • Die Gemeinnützigkeit für Wohnraum und dessen Bewirtschaftung bindend einzuführen. Das gilt auch für vermietete Gewerbeimmobilien. Ein angemessener Ertrag ist davon nicht berührt.
  • Die Veränderung der Eigentumsverhältnisse von Wohnraum und Boden bedürfen einer Genehmigung durch die Gemeinde auf dessen Territorium sich diese befinden.
  • Wer Grund und Boden erwirbt, muss angeben was er damit vor hat. Tut er dies nicht wird er nicht Eigentümer. Nach einer angemessenen Frist muss er sein Vorhaben ausführen.
  • Nicht genutzter Wohnraum und Grund und Boden fällt nach einer angemessenen Frist an die Kommune zurück. Eine Entschädigung kann gezahlt werden.
  • Es wird durch die Stadt Leipzig ein Ressort geschaffen das juristische Kompetenz im Miet- und Wohnrecht aufbaut und Bürgern der Stadt Hilfe und Unterstützung bei juristischen Auseinandersetzungen in diesen Bereichen gibt. Die Hilfe ist gebührenpflichtig und kann in begründeten Fällen für den Ratsuchenden kostenfrei gestellt werden.
  • In der Stadt Leipzig wird ein Bürgermeisteramt für Wohnen geschaffen. Dieses Amt soll die Planung und Gestaltung einer lebenswerten Stadt betreuen. Das Amt erhält ein Vetorecht bei allen Entscheidungen die das Wohnen mittelbar oder unmittelbar betreffen. Diese Entscheidungen bedürfen einer Begründung.
  • Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Bürger erhalten Unterstützung.
  • Kinder und Jugendliche werden durch ein kompetentes Team wenn durch die Betroffenen gewünscht intensiv betreut.
  • Alle Parteien und Bürger die sich zur Kommunalwahl stellen, sollen ein gesondertes Wohnungspolitisches Konzept vorlegen. Dies muss als solches ausgewiesen und im Wahlprogramm als Block / Zusammenfassung / erkennbar sein.

Also Wohnen als Menschenrecht ja.

Aber die Stadt,
die gewählten Vertreter,
die Angestellten und Beamten der Verwaltung,
die Beauftragten
müssen alle immer das Thema Wohnen mitdenken.
Es kann nicht sein, dass das Jobcenter Obdachlosigkeit erzeugt.
Das Teile einer Wohnung gesperrt werden.
Das Mitarbeiter der Ämter,
denen die von der Erwerbsarbeit ausgeschlossen sind,
sagen wie und wo sie zu leben haben.

Und zum Schluss sei noch gesagt:
Ich hab vorgesorgt fürs Alter.
Ich habe Kinder.
Liebe deine Stadt.

 

Maria Kantak:

Seit über 10 Jahren wohnen mein Mann und ich und seit fünf Jahren auch unser Sohn in Plagwitz in einem Mietshaus auf der Karl-Heine-Straße. Vor ca. einem Jahr bekamen wir eine Modernisierungsankündigung, in deren Folge unsere Miete um 450% steigen wird. Das bedeutet für uns, dass wir aus unserer Wohnung ausziehen müssen. Denn diesen Mietpreis können wir uns, trotzdem wir beide berufstätig sind, nicht leisten. Auch unser vertrautes Wohnumfeld werden wir verlassen müssen, denn mittlerweile ist es hier einfach zu teuer. So wie viele andere hier in Leipzig werden wir verdrängt. Gentrifiziert von geldgierigen Unternehmen, die Profit schlagen wollen aus den Schutz- und Rückzugsorten der Menschen.

Das in unserem Haus sogar Ferienwohnungen aus den Mietwohnungen entstehen sollen – also die Wohnungen nicht nur teurer werden, sondern sogar schlicht den Leipziger_innen nicht mehr zum Wohnen zur Verfügung stehen, ist der blanke Hohn.

Leipzig gilt als eine Stadt der Vielfalt, als eine Stadt mit Bürgern und Bürgerinnen mit Zivilcourage. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, wünsche ich mir, dass Menschen verschiedenster Couleur nebeneinander Wohnen können, weil sie es sich einfach leisten können. Weil sie es sich leisten können, da zu wohnen, wo es ihnen gefällt, wo es für die Organisation ihres Lebens Sinn macht. Durch Ghettoisierung wird der Zusammenhalt und das Verständnis zwischen den Menschen definitiv nicht erhalten bleiben. Um der Separierung der Menschen entgegenzuwirken, müssen Maßnahmen wie die Erhaltungssatzungen für einzelne Stadtteile genauso umgesetzt werden, wie die Mietpreisbremse und die Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus. Ich wünsche mir, dass jeder und jede so wohnen kann, wie er oder sie möchte – ob nun in der Altbauwohnung, auf dem Wagenplatz, im Neubau, in einem Hausprojekt oder in einer WG.

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