Die Stadt von unten aufbauen – Ein anarchistischer Aufruf

Aufruf aus dem Leipziger Westen

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Aufschwung für Wenige – Abstieg für Viele

Der Leipziger Westen entwickelt sich, der Leipziger Osten entwickelt sich, die Karli hat sich schon lange entwickelt und auch der Leipziger Norden ist wohl demnächst im Kommen. Selbst das Umland entwickelt sich. Alles entwickelt sich – doch wohin eigentlich?

Leipzig wird Großstadt, wird internationale Marke, wird „immer attraktiver“.

Doch bei all dem ist Leipzig vor allem eins: Unser Lebensmittelpunkt. Wir leben hier, arbeiten hier, studieren hier, gehen hier zur Schule. Wir bewohnen diese Stadt und dieses Viertel. Gemeinsam mit euch. Doch wenn die „Entwicklung“ von Leipzig so weitergeht, wird das nicht mehr lange so bleiben. Die Gentrifizierung schlägt voll zu, der Wohnungsmarkt wird knapper, die Preise explodieren. Die letzten Brachflächen verschwinden und der viele Neubau findet oft im Luxussegment statt. Viele mussten schon aus dem Leipziger Westen wegziehen, viele kleine Projekte und Gewerbe mussten schon schließen. Dieser Prozess nennt sich Gentrifizierung. Und wir alle kennen Menschen, die davon gerade auf die eine oder andere Art und Weise betroffen sind: Bekannte, deren Läden schließen mussten, Freund*innen, die Mietsteigerungen erleiden, Nachbar*innen die wegziehen müssen. In Leipzig gab es auch 2017 über 1000 angeordnete Zwangsräumungen – d.h. circa 3 pro Tag.

Gentrifizierung als Symptom, Kapitalismus als Ursache

Gentrifizierung ist dabei kein Naturprozess. Sie entsteht aus gesellschaftlichen Vorstellungen und Normen und diese sind veränderbar. Akteur*innen wie die CG-Gruppe oder die Stadtbau-AG formen die Stadt nach ihrer Profitlogik, Teile der Stadtpolitik „vermarkten die Stadt“ und fördern die marktwirtschaftlichen Dynamiken, zum Beispiel durch die Genehmigungen des Baus von Luxushäusern und ganzen „Reichenvierteln“ wie am Lindenauer Hafen. Der Kern des Problems liegt hierbei aber noch tiefer und ist nicht einfach nur in einer falschen Stadtpolitik zu suchen. Unsere Gesellschaftsordnung basiert auf der Idee von Privateigentum und stetig steigendem Profit. Alles in ihr wird zur Ware – der Marktwert zählt mehr als die Bedürfnisse. Diese Logik gilt es aufzubrechen und sich dagegen zu wehren.

Keine Forderungen an die Politik

Wir haben wenig Vertrauen in die Stadtpolitik. Zu sehr sieht diese die Stadt als Ware, die es zu vermarkten gilt, zu groß sind die sogenannten „Sachzwänge“, zu tief sind die Verstrickungen von Lobbyvereinen mit der Stadt. Statt Forderungen an die Politik zu stellen, die eh ignoriert oder denen ausgewichen wird, stehen wir ein für eine direkte Selbstorganisation der Betroffenen.

Wir wünschen uns ein Viertel, eine Stadt, ja eine ganze Gesellschaft, die nicht mehr auf das Privateigentum setzt, sondern auf die Selbstverwaltung. Wir wünschen uns, dass die Menschen für die Häuser verantwortlich sind, die sie bewohnen und nicht jene, denen es nur um den Profit geht. Wir wünschen uns, dass die Bewohner*innen der Viertel über diese entscheiden.

Das wirkt alles fern und abstrakt auf dich? Wir geben zu: Als Bild wirkt dies erstmal sehr fern und romantisch.

Selbstverwaltet, Selbstbestimmt, Solidarisch

Aber auch in dieser Stadt schließen sich Menschen schon auf vielfältige Arten zusammen:

Kollektive versuchen gemeinsam Häuser zu kaufen und diese dann selbst zu verwalten, damit sie dauerhaft dem spekulativen Wohnungsmarkt entzogen sind. Andere besetzen leerstehende Flächen oder Häuser. Kleine Basisgewerkschaften wie die FAU oder die IWW organisieren sich gemeinsam, um die Interessen der Arbeiter*innen am Arbeitsplatz durchzusetzen. Mietparteien von Häusern schließen sich zusammen, um gemeinsam dem Druck der Hausverwaltungen zu begegnen. Und solidarische Nachbar*innen treffen sich (zum Beispiel) in der autonomen Erwerblosinitiative oder im „solidarischen Netzwerk“ um gemeinsam gegen Probleme im Alltag vorzugehen – egal ob mit Chef*in, Arbeitsamt oder bei Stress mit den Vermieter*innen. Autonome Stadtteilprojekte wie die nachbarschaftlichen Projekte in der Gießerstrasse sorgen für einen unkommerziellen und solidarischen Austausch untereinander. Wieder andere Projekte und Gruppen stehen für eine solidarische Gesellschaft von unten ein, engagieren sich gegen Diskriminierung und Unterdrückung. In vielen kleinen und großen Kollektiven organisieren wir unser Leben gemeinsam und stehen füreinander ein.

Wir denken, dass wir alle hier über kurz oder lang von den Auswirkungen der Gentrifizierung betroffen sein werden. Diesen Kampf nicht gemeinsam als Nachbarschaft zu führen, hieße ihn isoliert und vereinzelt nach und nach zu verlieren. Das muss nicht sein!

Lasst uns zusammenkommen und uns gemeinsam organisieren:

Für eine Stadt von unten – Für die Selbstverwaltung unserer Leben – Für Solidarität statt Verwertung

Einige Anarchist*innen aus dem Leipziger Westen

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